Donnerstag, April 30, 1987

Wie kann Gott so grausam sein?

Vorbemerkung der Redaktion:
Vor nunmehr mehr als 6 Jahren hatte ich von einem Leser unserer Zeitschrift den im folgenden abgedruckten Brief samt Beilagen erhalten. Jetzt, kurz vor Ostern 1987, stoße ich «zufälligerweise» wieder darauf Ich hatte die Sache damals offensichtlich verlegt und aus den Augen verloren. Aber auch heute ist alles noch so aktuell wie damals, und darum zögere ich nicht, dieses bestens abgefaßte Zeugnis unserer geschätzten Leserschaft zu unterbreiten. An Herrn Bucher geht damit meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung für dieses unbeabsichtigte Versäumnis.

Riedlings, Leutkirch, den 4.12.80
(...) Es war auf einer Busfahrt zu einem Einkehrtag nach Marienfried. Hinter mir saß eine Ordensschwester vom Kinderheim S. Anna, Leutkirch. Bei einem kurzen Gespräch gab ich der Ordensschwester den Brief zu lesen, den ich auch Ihnen zukommen lassen möchte, auf Veranlassung der Ordensschwester von S. Anna. Ich sollte unbedingt diesen Brief an Sie senden.
Nun, ich mache mir schon lange Gedanken, wie kann man der heutigen Menschheit klar machen, daß es mehr gibt als bloß das kurze irdische Leben. Aus der beigefügten Fotokopie ersehen Sie, um was es geht, um mein eigenes Sterbenserlebnis. Ich habe erlebt, was das menschliche Sterben ist, was der Mensch wirklich ist. Es war schon eine große Gnade Gottes, von «drüben» zurück-«dürfen oder müssen». Das ist für mich heute noch das große Geheimnis, warum und wieso?
Es gäbe noch vieles zu schreiben und zu sagen, was nicht in dem beigefügten Brief enthalten ist.
Vielleicht ist dies auch ein «Zeichen Mariens», mein so wunderbares, ja herrliches Erlebnis.
Als ich in größter Todesnot war, habe ich «Maria» angerufen und habe augenblickliche, unsagbar große Hilfe erhalten für die nächsten Stunden, Tage, Monate und einige noch sehr schwere Kriegsjahre. Ja, Maria ist unsere große Hilfe im Sterben, unsere große Gnadenvermittlerin. Ich fühle mich sehr nahe und herzlich zu Maria hingezogen, so daß ich wohl sagen darf «Maria, meine Freundin». Unser ganzes Vertrauen dürfen wir Maria schenken; Sie steht zwischen uns und dem unendlich großen Gott. - Ich erinnere mich noch an einige Papstworte bei seiner Deutschlandfahrt in einer Ansprache an die Priester und Theologen. Unter anderem sagte er: «Christus ist euer Freund», und ich möchte dazu nochmals wiederholen «Maria, unsere Freundin».
Ich möchte noch auf eines aufmerksam machen: Wer hat mir mein wirkliches Sterben bestätigt? Nun, es war kein Geringerer als der Schutzengel der heiligen Agnes, der auch der Schutzengel meiner im Jahre 48 verstorbenen Tante Senze war. Sie war zeitlebens von Gott als Opferseele ausersehen. Ihr Seelenführer war mein Vetter, H. Pfarrer Renz, ein naher Verwandter ist auch der jetzige Exorzistenpater Arnold Renz (inzwischen verstorben - Anm. der Redaktion). - In den Jahren 46 und 47 war ich wegen eines Schulbesuches zwei Winter lang bei meiner kränklichen Tante, die damals meine Schwester versorgte und pflegte. Nun, durch meine Tante sprach ihr Schutzengel und konnte auf viele Fragen Antwort geben, so weit Gott es zuließ. Es ist wohl schwer, mit wenigen Worten dieses Schutzengelverhältnis klar und deutlich verständlich zu machen. Ich möchte eben nurkurz sagen, was der Schutzengel persönlich zu mir sagte, betreffs meines eigenen Sterbens, so sagte er unter anderem: «Ja, so ist es, wenn man gut stirbt.» So ist bei mir jeder Zweifel beseitigt, daß das Sterben nicht echt gewesen wäre.
In den letzten Jahren war es doch ein großer Fehler, wenn die Marienverehrung vernachlässigt wurde. Die Folgen zeigen sich täglich im vermehrten Ausmaß. Meine Sorge ist die, wie kann man den Menschen deutlich und begreiflich machen, daß es für jeden Menschen ein nie endendes persönliches Weiterleben gibt in ewiger unvorstellbarer Freude oder in einer nie aufhörenden Grausamkeit?
Möchten Sie sich mit meiner Angelegenheit noch näher befassen, so bin ich gerne bereit, weitere Auskünfte zu geben. Es grüßt Sie recht herzlich
Richard Bucher, Riedlings 13, D-7970 Leutkirch 1

Einsendung an das ZDF
(Kontaktstelle Fernsehen, Mainz)
Betrifft: Fernsehsendung im ZDF vom 14. 1. 80
Mit großem Interesse habe ich die Sendung: «Wie kann Gott so grausam sein?» verfolgt und habe mir so manche Überlegungen und Gedanken gemacht. Somit versuche ich meine Gedanken aufs Papier zu bringen, so gut es eben geht in meinem Beruf.

Kurze persönliche Daten
Bin verheiratet, 4 Kinder, von Beruf Waldarbeiter und Landwirt, Alter 60 Jahre - seit 1938 als Waldarbeiter tätig. Der 2. Weltkrieg brachte eine Unterbrechung (1940 zur deutschen Wehrmacht eingezogen) der schweren Berufsarbeit. So mußte ich Soldat sein bei der 5. Jägerdivision 7.-8.56 und bei der 101. Jägerdivision 6.-7.228. - Schwere Opfer hat der Krieg von mir verlangt, wurde dreimal verwundet, zweimal schwer erkrankt. Wurde fünfmal im Osten eingesetzt, von der 1. Stunde an. Auf näheres werde ich in diesem Brief noch eingehen.

Wer ist Gott?
Ja, wie kann Gott so grausam sein? Da stellt sich doch gleich die Frage, wer ist Gott, was ist das Wesen Gottes? Da müssen wir die Bibel, das Lehramt der katholischen Kirche und unseren eigenen, bescheidenen Verstand zu Hilfe nehmen um mit Gottes Hilfe SEIN Geheimnis zu erfahren und zu erkennen. Für den menschlichen Verstand ein unergründliches Geheimnis ist das SEIN Gottes in drei Personen: Gott Vater, der Sohn Jesus Christus und der Heilige Geist. - Gott hat den Menschen nach SEINEM Bilde erschaffen. - Gott gab dem Menschen die Freiheit IHN anzuerkennen oder IHM in Ablehnung gegenüberzustehen, in SEINEN Geboten und Forderungen, die aber doch nur zum Besten der Menschheit wären. Mit der Auflehnung gegen Gott kam Not und Tod, Krankheit und Schmerz, Krieg und Unglück in die Welt, bis auf den heutigen Tag.

Gott lebt für die Menschheit
Gott sah die Welt in ihrer Not und sandte SEINEN Sohn Jesus Christus in unsere bedrängte Welt und brachte mit SEINER Lehre Klarheit, Trost und neue Hoffnung. ER lebte uns ein Leben vor, ein Leben der Entsagung und Demut, der Heiligkeit und des Gebetes, aber auch der Macht und Weisheit. ER ging unserer Sünden wegen in den Tod, den schmachvollen Weg des Kreuzes, damit wir nicht verloren gehen sollten. Nach 3 Tagen ist ER wieder auferstanden und verkündete der Menschheit ein neues Leben nach dem Tod, in Glück und nie endender Freude. ER ging heim zu seinem Vater um uns eine ewige Wohnung zu bereiten. Aus allergrößter Liebe hat Christus für alle Menschen SEIN Kreuzesopfer dargebracht und wird in geheimnisvoller Weise täglich erneuert und ER ist bei uns bis zum Weltenende.

Nachfolge Christi
Was Gott nun von uns verlangt, ist, daß wir IHM nachfolgen. SEIN Kreuz, das in irgendeiner Form auch uns auferlegt wird, haben wir zu tragen. Die einen tragen es mit Freude, viele andere mit Widerwillen. Zu tragen haben es aber alle. Hier liegt nun die vermeintliche Grausamkeit. Ist diese Grausamkeit eine Erfindung Gottes - oder eine Erfindung der Menschen auf dieser Welt? Oder ist diese Grausamkeit letzten Endes gar keine?

Ein besonderes Ereignis
Im weiteren Verlauf meines Schreibens möchte ich meine eigene Erfahrung mit der «Grausamkeit Gottes» klarstellen. Es liegt ein besonderes persönliches Ereignis vor, auf das ich jetzt eingehen werde. Als Soldat des 2. Weltkrieges kenne ich das Leid, das Grausame, den Tod als ständiger Begleiter in vorderster Front. - Es ist ein besonderes Ereignis, vielleicht einmalig in dieser Art, das ich dem Fernsehen anvertrauen will. Es ist ein Ereignis, das voll und ganz der Wahrheit entspricht. Vor Gott und der Menschheit kann ich dies verantworten.

Im Kaukasus 1942
In den Bergen des Kaukasus erkrankte ich nach 10 Wochen Fronteinsatz. Kam Anfang September 1942 zum Hauptverbandsplatz. Es kamen noch weitere Krankheiten hinzu, so daß ich ins Kriegslazarett nach Maikop verlegt wurde. Dort verschlimmerte sich meine Krankheit zusehends. - Nun möchte ich mein persönliches Geheimnis im voraus bekanntgeben. Hier im Kriegslazarett erlebte ich meinen persönlichen Tod, mein eigenes Sterben.

Im Kriegslazarett mit schwerer Krankheit
Ich war mir die Schwere meiner Krankheit klar. Noch nicht ganze 23 Jahre und spürbar dem Tod ganz nahe. Blutdruck 300, Fieber 41, trotz fiebersenkender Mittel, Gelbsucht, schwerste Erkrankung der Leber und der damit zusammenhängenden Organe. Doch ich hatte die Gnade, meine Krankheit mit großer Geduld zu ertragen. Das Leben an der Front war doch noch schlimmer, in diesem Zustand kam über mich eine große Todesangst. Mehr oder weniger bewußt steckte in mir die Muttergottesverehrung, aber durch die laufenden Belastungen und durch die höchsten Leistungen, die ein Gebirgskampf erfordert, im hintersten Winkel des Herzens. Hilfe in großer NotIn dieser meiner großen Not und Verlassenheit rief ich ihren Namen «MARIA». Zwei Kameraden neben mir störte dies, da sie nicht erfaßten, in welchem Zustand ich mich befand. Doch, o Wunder, mein Hilferuf wurde sofort erhört. Meine große Angst war sofort weg. Eine große Ruhe und Freude kehrte ein in mein Innerstes, in einem noch nie gekannten Ausmaß. Ja, noch mehr, ich konnte noch mehr, ich konnte ein freudiges Ja sagen zu jeder Todesart, wie sie auch kommen möge. Den Tod empfand ich als Freund und Helfer zu einem neuen noch unbekannten Leben. In meinem damaligen Krankheitszustand konnte ich Personen nicht mehr erkennen. Nur mit größter Anstrengung konnte ich ein «Ja» oder «Nein» sagen, zeitweilig auch das nicht mehr. - So drei Tage dauerte mein schwerkranker Zustand. Am vierten Tag spürte ich eine merkliche Erleichterung. Kein Fieber, keine Schmerzen mehr.

Glaubte, über den Berg zu sein
So glaubte ich, über den Berg zu sein. Und so stand auch wieder die nächste Nacht bevor. Froh und glücklich über meinen Zustand kam mir der Abend doch etwas sonderbar vor. Ich konnte ja nicht ahnen, was mir bevorstand, da ich glaubte auf dem Weg der Besserung zu sein. Müde von der durchgestandenen Krankheit schlief ich bald völlig traumlos ein, ohne Probleme.

Zeichen aus einer anderen Welt
Es mag vielleicht eine lange traumlose Nacht gewesen sein - da plötzlich wurde ich durch ein herrliches, sanftes Klingeln, wie mit silbernen Glöckchen in verschiedenen Tonarten, geweckt.(Ich versuche die weiteren Vorgänge mit menschlichen Worten zu schildern. Um aber dieses Geschehen wirklichkeitsgetreu in seiner ganzen Größe zu berichten, fehlen einem einfach die Worte.) Es war ein freudiges Erwachen, ein Erwachen mit hellem, klarem Verstand. Und plötzlich war es mir klar, dieses herrliche Klingen kommt «von drüben, von einer anderen Welt». Das Klingen hielt weiterhin an. Erstaunt über diesen wunderbaren Zustand setzten 5-6 Atemzüge ein, die meine Freude noch steigerten.

Das Sterben setzt ein
Und durch diese Atemzüge fühlte ich immer mehr mich selbst. Ich spürte die langsame Trennung von dem irdischen Leib. Es war eben so ein Aushauchen der Seele, meiner ganzen Persönlichkeit. So war ich also getrennt von meinem Körper, und ich war überrascht, wie leicht dies war. So kam mir in den Sinn, könnte ich der Welt doch berichten, wie leicht das Sterben ist. An eine Rückkehr dachte ich da nicht mehr. Ich war froh, vom irdischen Leben erlöst zu sein. Alles ging in einem überirdischen Licht vor sich. Nirgends dunkle Nacht, nicht eine Sekunde ein ausgelöschtes Leben. Alles lief wie nach einem bestimmten Plan ab, wie von einer noch unsichtbaren Macht befohlenen Weg ab, den man selber nicht bestimmen konnte. Die persönliche Freiheit, wie man sie auf der Erde besitzt, war aufgehoben.

Drüben im Jenseits
So befand ich mich also im Raum der Ewigkeit. Es überkam mich ein Gefühl der Geborgenheit und ich war einfach überwältigt von einem wahrhaft persönlichen Weiterleben. Und plötzlich war ich wie vor einem Palast. In großer Bogenschrift stand in goldenen Buchstaben: «RÖMISCH KATHOLISCHE KIRCHE». Und es kam mir der Gedanke, also es stimmt doch, was ich auf der Erde geglaubt und bekannt habe, was die Kirche lehrt und zu befolgen habe. Gleich darauf erfuhr ich eine kurze Erklärung der sieben Sakramente. Ich war überglücklich, dieser Kirche anzugehören. Alles lief so ab, wie in einem Film, bloß daß eben ich der Mitbeteiligte war. Des weiteren wurde mir klar, im Himmel finden wir uns wieder, alle Guten finden sich zusammen in einem sehr herzlichen Verhältnis. Ich durfte erfahren und empfinden, wie die herzliche Zuneigung ist. Da sah ich plötzlich ein großes, herrliches Land vor mir. Alles so in einem übernatürlichen Raum, alles doch anders und doch so wunderbar dem menschlichen Sein angepaßt. Es hat sich schon damit bewahrheitet «Gott schuf den Menschen nach Seinem Bild und Gleichnis». Es wurden auch Fragen an mich gestellt, die ich bis heute noch nicht alle begriffen habe. Um Antwort geben zu können, wurde mein Verstand, mein Denken auf eine sehr hohe Stufe gestellt. Doch nach mehreren Fragen und Antworten spürte ich mich nicht mehr allein. Antworten gegen meinen Willen fielen.

Eine andere Macht stellt sich ein
Zu meinem großen Entsetzen hat sich eine andere Macht dazugestellt. Unter anderem lautete die Antwort «Ich will in die Hölle». Darauf die Frage: «Warum willst du in die Hölle?» Darauf die Antwort, gegen meinen Willen, die furchtbar schreckliche Antwort: «Weil ich Gott hasse.» In dem Wort «hasse» kam auch tatsächlich ein furchtbarer Gotteshaß zum Ausdruck. Hier mußte der Teufel sein Vorhandensein zeigen, seine wirkliche Existenz in der Schöpfung. Hier auf der Erde will man ihn nicht wahrhaben in der Gewalt des Bösen. Ja, ich schreibe diesen Brief ganz der Wahrheit entsprechend wie ich sie erfahren habe, in der Verantwortung vor Gott.

Guter Abschluß
Nach dieser gehässigen Antwort durfte ich noch etwas ganz schönes erleben. Es war ja bei dieser Auseinandersetzung mit dem Satan (der gefallene Engel) noch die höhere Macht da, die das Wort «Halt» rief und er mußte von mir lassen. Da fand ich mich wie in einer herrlichen Duftwolke. Ich atmete mit meinem vergeistigten Leib (Seele genannt) einen ungemein herrlichen Wohlgeruch ein, der mich unaussprechlich glücklich machte und dann sah ich mich wie vor Gottes Herrlichkeit, vor dem Einlaß in das unendliche Glück. Plötzlich wurde diese Schau abgebrochen. Dann war es für mich wie ein schnelles Schweben in die Tiefe. Zuvor noch wurden die letzten sechs Worte an mich gerichtet, die wie ein Urteil über mich lauteten. Demnach hätte ich einen herrlichen, schönen Platz zugeteilt bekommen.

Zurück in den Körper
Doch es ging anderswohin. Wohin? Da mußte ich mich wieder überraschen lassen. Nun in wenigen Augenblicken war ich wieder bei meinem Ausgangspunkt angelangt, in meinem Krankenbett im Kriegslazarett Maikop. Das war so Mitte Januar 43. Sofort nachdem ich in dieirdische Hölle gelangte, schlug ich die Augen auf. Die Atmung setzte wieder ein. Die Brust hob sich wieder, ich spürte sehr deutlich, wie in den ganzen Körper wieder Leben kam. Es war heller Tag. Die winterliche Sonne schien durch das Fenster. Ein Arzt tastete und horchte meinen Körper ab. Ich spürte die Nervosität des Arztes. Das Pflegepersonal der letzten Tage war nun auch anwesend, so war ich also doch wieder auf dieser buckligen Welt. Ich sagte niemandem etwas von meinem Erlebnis im Jenseits. - Meine Kameraden im Kaukasus mußten sich absetzen. Die Vernichtungsschlacht im Kessel von Stalingrad war auf dem Höhepunkt. Das
Lazarett in Maikop mußte geräumt werden. Noch in derselben Stunde wurde ich als einer der letzten mit dem Saniwagen zum Lazarettzug gefahren und eingeladen. Ich spürte nichts mehr von meiner Krankheit. Eine allgemeine körperliche Schwäche war noch vorhanden. Es war für mich wie ein Neuanfang in meinem Leben. Doch ich hatte noch schwere Wochen und Monate und Jahre durchzumachen. So kam ich im Januar 44 zum viertenmal zum Fronteinsatz. Wurde am 1. März 44 zum drittenmal verwundet. Kam nach meiner Genesung im Juni 44 zum fünftenmal an die Ostfront in schwersten Einsatz bis Ende November 44. Dann folgte für mich nur noch leichtere Einsätze bis Kriegsende.

Rückschau
So möchte ich noch einen Rückblick auf das bisher Geschehene halten. - Ist Gott grausam? Ist Krankheit und Tod grausam? Wer ist Gott und was sind wir? Gott ist unser Schöpfer, von Ihm ist alles abhängig, alles erschaffen worden. Bei Ihm ist kein Ding unmöglich. Jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele und ist daher so nahe Sein Ebenbild; «wir heißen Kinder Gottes und sind es». Ich durfte durch Gottes Gnade über die Schwelle des Todes treten und die Wirklichkeit des anderen Lebens erfahren. Es ist noch nie einer zurückgekommen, stimmt also nicht. Was ist also die Seele? In kurzen Worten gesagt, das ist eben unser persönliches Ich, unser Denken, Wollen, mit all unseren Fehlern und Mängeln, mit unserem Hang zum Guten oder Bösen. So wie wir bei unserem Sterben sind, genau in dem Zustand kommen wir hinüber in den anderen Lebenszustand.

Wer ist der Tod
Der Tod ist eben gar kein Tod. Es tritt sofort ein anderer Lebenszustand ein für jeden Menschen ohne Ausnahme. Niemand kann sich selbst vernichten, auch der Selbstmörder nicht.

Der Fluch der Abtreibung
Auch jeder angefangene Mensch im Mutterleib ist in Wirklichkeit ein vollständiger Mensch mit einer unsterblichen Seele. Hier liegt doch im Grunde genommen das Ungeheuerliche einer Abtreibung, der Mensch schneidet schon dem jüngsten Mitmenschen den Weg ab zu Gottes Herrlichkeit. Er kommt hinüber in die Ewigkeit ohne Taufe, ohne Gnadenleben, belastet von der Schuld seines Mörders. Hier liegt der tiefste Grund, der Fluch einer bösen Tat. Eine Abtreibung ist immer ein Mord, der schwerste Eingriff in das Leben eines anderen Menschen.

Der Gottesglaube
Wenn der Mensch keinen Gott mehr anerkennen will, wird er zu allem Bösen fähig. Der heutige Unglaube in den verschiedensten Formen verwirrt den Menschen. Nun, für mich gibt es keine irgendwelche Glaubenszweifel. Doch was ich erfahren habe, ist im strengen Sinne nichts Neues. Ich habe nur bestätigt bekommen, was die römisch-katholische Kirche lehrt und weiterhin zu lehren hat. Nicht eine Silbe der Lehre Christi dürfen wir streichen oder abändern. Wahrheit bleibt Wahrheit. Jesus Christus sagt «Ich bin die Wahrheit und das Leben». Das Wesen Gottes liegt für alle Ewigkeit fest, da kann auch ein Herr Küng nichts ändern oder etwas anderes ausfindig machen.

Wohlstandsdenken
Eine große Geißel unserer Zeit ist der verderbliche Hang zum Wohlstandsmenschen.
Bequemlichkeit, Maßlosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Unzufriedenheit, Unglaube, Opferscheue, Sittenlosigkeit, Untreue, Egoismus, Lüge, Diebstahl sind alles Früchte eines maßlosen «Wohlstanddenkens». Wie will eine übertriebene Wohlstandsgesellschaft den Himmel sich verdienen? Alles ist aufs Diesseits eingestellt, wo doch über Nacht alles ein Schutthaufen sein kann und der Mensch «hinüber» kommt mit leeren Händen. Wohl gibt es auch gläubige, gesunde Auffassungen.

Vom rechten Tragen von Krankheit und Leid
Ist Gott grausam? Ist Krankheit, Schmerz, Trennung und Tod immer grausam? Nein, ein klares Nein! Der Krieg, die Krankheit, Tod und Verlassenheit, konnten die mich unglücklich machen? Nein! Ich hatte die Gnade, all das Schwere in meinem Leben mit Geduld und frohem Herzen zu tragen. Auch in den schwersten Stunden war ich nie unglücklich. Ich bin heute froh an meinem durchgestandenen Leid. Im tiefsten Sinne durfte ich mit Christus mitleiden, mitsühnen in der untersten Stufe menschlichen Seins. Krankheiten, Zeiten der Entbehrungen, Schmerz und Leid sind wohl die wertvollsten Zeiten meines Lebens.

Vom rechten Sterben
Vom rechten Sterben: Da darf ich vielleicht einige Tips geben. - Das gute Sterben muß in gesunden Tagen vorbereitet sein, muß darum gebetet werden zu den Heiligen, besonders zur Mutter unseres Erlösers. Ein demütiges Leben führen, täglich bedacht sein die Sünde zu meiden, großes Gottvertrauen haben, wenn einmal das Leben schwer wird, führt zu einem guten Sterben. Voll Vertrauen dürfen wir uns freuen auf das Sterben, mit Gott leben, mit Gott hinübergehen.
Auf dem Koppelschloß der deutschen Wehrmacht stand «Gott mit uns». Das darf doch kein leerer Wahn sein. Das Urteil über meine Sterbenserfahrung lautete: «Ja, so ist es, wenn man gut stirbt!» Und das hat jemand gesagt, der es unbedingt wissen muß und auch mehr weiß als wir Menschen. Niemand hat einen Garantieschein in der Tasche, daß er in den Himmel kommt. Wir müssen uns mit der Hilfe Gottes alle Mühe geben, daß es uns zu einer glücklichen Ewigkeit reicht.

Kinder Gottes
Alle Menschen als Kinder Gottes ansehen, geht wohl nicht leicht, aber man muß das immer versuchen, das zu können, dann bekommen wir das rechte Verhältnis zum Mitmenschen. Schon einige Mal bin ich im Verlaufe eines Gesprächs auf Menschen gestoßen, die gerade vom Knast kamen. Auch diese muß man als Mensch aufnehmen, auf ihre Probleme eingehen.

Der Zweck des Briefes
Was soll dieser Brief bezwecken? Nun, ich habe mir große Mühe gegeben, halbwegs etwas zusammenzustellen zu dieser Fernsehsendung. Es ist sehr schwierig, über dieses Thema was rechtes aufs Papier zu kriegen. Ich habe schon einige Bücher gelesen über das Leben nach dem Tod». Nicht immer bin ich einverstanden mit ihrem Inhalt. Manche sind zu einseitig geschrieben und geben somit ein falsches Bild vom Sterben. Ich suchte immer etwas gleichwertiges zu meinem Erlebnis, habe aber noch nichts solches gefunden.
Ich möchte eindringlich den Mitmenschen sagen, es gibt ein Weiterleben nach dem Tod, bereitet euch darauf vor, sonst gibt es einmal eine böse Überraschung. Es gibt bestimmt viele, die sehnen sich nach einem hoffnungsvollen, tröstenden Wort. Da hätte das Fernsehen wirklich eine große Aufgabe zu erfüllen. Mit einer nie geahnten Sicherheit könnte das Fernsehen an dieses heikle Thema gehen, für mich ist über das Sterben zu sprechen kein Problem. So im kleinsten Kreise. Immer habe ich begeisterte Zuhörer gefunden. Wer kann über dieses Thema denn noch besser Bescheid wissen, als der, der diese Sache über sich ergehen lassen mußte. Bei Gott ist kein Ding unmöglich und ich sage mir: «Was ist ein Wunder?» Kurz gesagt: «Eine Möglichkeit Gottes!»
Sollten noch Fragen auftauchen, so bin ich gerne bereit, sie nach Möglichkeit zu beantworten.


Es grüßt recht freundlich Richard Bucher
Zuerst erschienen in «DAS ZEICHEN MARIENS», 20. Jahrgang, Nr. 12, April A.D. 1987, Seiten 6790-6794
Neu für dieses Weblog erfaßt: 14. Mai 2007