Donnerstag, Mai 18, 2006

Die Muttergotteserscheinungen in den Schlachten bei Kappel und auf dem Gubel

Zum Bild: Einsiedler Madonna, Deckengemälde auf Holz im Refektorium der Abtei, von Joh. Brandenberg aus Zug (1711/12)

Ein sehr interessantes Dokument im Zusammenhang mit unserem Bericht über die Muttergottes-Erscheinungen auf dem Wesemlin bei Luzern:

DIE SCHLACHT BEI KAPPEL

Den Zürchern waren die Zurüstungen der fünf Orte nicht entgangen. Sie hatten ab und zu Spione ausgeschickt und blieben so stets auf dem Laufenden. Lange wollten sie zwar nicht glauben, daß es ernst gelte. Denn wie sollte ein an Zahl so beschränktes Heer es wagen, sich mit ihnen und ihren Verbündeten zu messen?
Gleichwohl sahen sie sich auf alle Fälle vor. Einen Hauptwert legten sie auf gute Geschütze und Munition, zu deren Herstellung ihnen der Hesser Landgraf seinen besten „Artilleriekünster", den Büchsenmacher Afterkamm, hergesandt.
Die allarmierenden Nachrichten mehrten sich. Am 8. Oktober kam ihnen gar die Botschaft, die Luzerner hätten schon die Banner in die Brunnen gesteckt und zögen in die freien Ämter.
Eilboten mußten die Kunde in die verbündeten Burgerstädte bringen und rasche Hilfe fordern.
Ratsversammlungen wurden abgehalten und der Entschluß gefaßt, einen Heertrupp nach Kappel zu werfen, die kommenden Dinge abzuwarten und, stellten sich dort die Katholiken nicht, nach Zug und auf Luzern zu marschieren, waren doch beiderorts nur wenige Männer mehr in der Stadt.
Die Innerschweizer erhielten Wink davon, schwenkten von Hitzkirch ab und Zug zu. Hier wurde am folgenden Morgen, 11. Oktober, die heilige Messe angehört und der Imbiß genommen. Dann sammelte man sich auf der Zuger Allmende, die Hauptleute musterten die Mannen, und alle schmückten sich mit einem Tannenreis als Erkennungszeichen. „Auch redete ein jeglicher Hauptmann", erzählt Schultheiß Golder von Luzern, der selber einer war, „mit seinen Knechten (/Streitern), sie sollen, so uns Gott der Allmächige den Sieg werde geben, nicht zu begierig über die Feinde sein, angesichts dessen, daß sie zuvor auch unsere Eidgenossen waren und, so Gott will, wieder werden mögen. Darnach hieß man männiglich niederknieen und mit ausgespannten Armen fünf Pater noster und Ave Maria in das Leiden unseres Herrn beten, daß er seine göttliche Hilfe bei uns lasse sein." —
Jetzt wird das Zeichen zum Aufbruch gegeben, und voraus sprengt ein berittener Trompeter, den Absagebrief den Zürchern zu überbringen. Sobald er zu den marschierenden Truppen zurückgekehrt, setzten diese auf Feindesgebiet über.
Die Reformierten, die zum Teil schon gestern in Kappel angekommen, hatten sich auf einem hochgelegnen Acker postiert und die Geschütze aufgepflanzt. Ihre Lage war günstig, nur daß der nahe Wald ihren Ausblick schmälerte. Sie hätten ihn deshalb gerne gelichtet, aber der Abt von Kappel, der einer von den ihrigen war und dem das umliegende Land zugehörte, versagte es ihnen, sie beruhigend, daß man von dort her nichts zu fürchten habe.
Die Katholiken aber stiegen gerade jenseits des Gehölzes an, und fielen, als sie die Harnische der Feinde durch die Baumwipfel glitzern sahen, nochmals auf die Kniee, um gemäß dem Brauch der Altvordern, die es beim Anblick des Gegners stets so gehalten, Gottes Beistand auf ein neues herabzuflehen.
Da knallten drei Schüsse von der Zürcherseite her. Zwei gingen fehl, und nur einer streifte leicht den Schenkel des Urner Ammans Troger. Dieser ruft ermunternd den Seinen zu: „Liebe Eidgenossen, ihr Geschütz wird uns heute wenig schaden."
Auch katholischerseits wurden einige Schüsse abgegeben. Aber es war da und dort nur ein nichtssagendes Geplänkel, indem die beiden Heere kaum für einen heutigen ernstlichen Angriff waren. Die Zürcher nicht, weil sie, obschon zur Stunde einige tausend Mann Verstärkung eingetroffen, doch den Hauptzuzug auf morgen erwarteten, und die Mehrzahl der katholischen Anführer nicht, weil bereits der größere Teil des Tages vorüber und es überdies Mittwoch, der heurige Wochentag des Festes der heiligen unschuldigen Kinder war, an dem man nur gezwungen zum Schwertstreich ausholen wollte.
Johannes Jauch von Uri hingegen, solcher Bedenken überdrüssig, sammelte mit Schützenfähndrich Rudolf Has von Luzern 300 tüchtige Schützen und 400 schlagfertige Knechte und stellte sie, nachdem er die feindliche Ordnung genau erspäht, im Gehölze auf, sie zugleich ermahnend, bis zum Angriffsbefehl zu beten.
Mit Schrecken bemerkten die Zürcher, daß sich gerade von dorther, wo sie es am wenigsten vermutet hatten, der Gegner nahe. Flugs begibt sich Büchsenhauptmann Peter Fügli zu Oberhauptmann Lavater, der just mit den Hauptleuten Göldlin und Töning, sowie mit Zwingli im Gespräche ist, und bittet ihn, unverzüglich eine andere Aufstellung der Mannschaft und Geschütze zu gestatten. Das würde Störung und den Knechten Anlaß zum Verlaufen geben, lautete die Antwort.
Es wäre tatsächlich zu spät gewesen. Denn schon prasselten die Kugeln daher, manch einen niederstreckend. Die Zürcher Knechte stürmen dem Walde zu, und aus demselben drängen jene vor, die Jauch und Has gesammelt. Ein Rufen und Schreien, ein Schlagen und Stechen bricht los, wie man es selten gehört und gesehen. Füglis Geschütze sind lahm gelegt. Nur nach den Baumästen können sie zielen, wollen sie nicht die eignen Leute zugleich mit den Feinden niedermähen.
Bald sind auch die übrigen Streitkräfte der fünf Banner auf dem Kampfplatz. Die Zürcher Wogen weichen und verwandeln sich plötzlich in eine jähe Flucht. Die Katholiken stürzten ihnen nach und verfolgten sie bis an den Horgerberg.
Dann kehrten sie auf die Walstatt zurück, beteten wieder auf den Knieen und mit ausgespannten Armen fünf Pater und Ave in das Leiden des Herrn, doch diesmal „um Lon und Dank zu sagen für seinen treuen Beistand, so er uns erzeigt".
Bis in die tiefe Nacht hinein besah man das Schlachtfeld und die Beute und brachte den Verwundeten die erste Hilfe.
Der Kampfplatz war mit Leichen bedeckt, und auch der Fluchtweg war reich an solchen. Alle gleichzeitigen katholischen Berichterstatter schätzten die Verluste des Gegners auf 1500 bis 1600 Mann. Besonders schwer ward Zürich selber heimgesucht. Denn unter den Gefallenen fanden sich viele seiner hervorragendsten Männer nebst ungefähr 400 sonstiger Bürger, und Zwingli, der Urheber all des Leides.
Aus den fünf Orten fielen blos 30 Mann. Die Zahl der Verwundeten war beträchtlicher, doch genasen fast alle wieder.
Der reformierte Hans von Hinwil schreibt in seinem Kriegsbericht: „So sollen von den fünf Orten so wenig Leute umgekommen sein, daß ich es nicht melden darf, bis ich es gewisser weiß, denn wenn es also, hat sie Gott wohl behütet".
Um 7 Uhr abends traf die Trauerkunde in Zürich ein. „Größere Angst und Not hat keiner, der da jetzt lebt in Zürich, je erlebt", meldet der Augenzeuge Werner Steiner. Selbst den Streitbaren, fügt Hinwil bei, war nach der Flucht der Mut so gesunken, daß, „jedermann wollte krank sein".
Was war wohl die Ursache der Panik, welche das Heer der Reformierten mitten im Gefecht überfiel, und die eine so übereilte Flucht zur Folge hatte?
War es die Niedergeschlagenheit der Gemüter, wovon Bullinger spricht? Und wenn ja, warum diese Niedergeschlagenheit? Zwingli hatte doch den sichern Sieg vorausverkündet.
Oder waren es Verräter, die zur Flucht anspornten, wie jener Springli von Fluntern, der, nach Vadian, ausgerufen haben soll: „Fliehet, fromme Zürcher, oder keiner von euch kommt davon!" Aber eine solche Stimme wäre doch von tapfern Mannen überhört worden.
Für uns Katholiken mag Renward Cysat eine Lösung geben, wenn er in seiner Wesemlin-Geschichte versichert, man habe über den fünf Bannern das Bild Mariae, wie es vor einigen Monaten auf dem Wesemlin erschienen, schweben sehen.
Wir wollen in einem spätern Kapitel ausführlicher darüber reden.

--> (Fortsetzung und Schluß)

Keine Kommentare: