Mittwoch, Januar 24, 2007

Vorwort von Pater C.E. Schmöger C.ss.R. zum Werk "Emmerick-Visionen" 9. Folge

10. Ferner finden sich auf Seite 119 die Worte: "Maria wußte, daß sie den Erlöser empfangen habe, daß Er aber, um die Menschen zu erlösen, leiden und sterben werde."
Und auf Seite 143: "Wieder sah ich Maria an der Krippe stehen. Sie sah auf ihr Kind und hatte die tiefe Empfindung, es komme auf die Welt, um zu leiden."
Das tiefe Geheimniß, welches in diesen so wahren, als einfachen Worten verborgen liegt, wird uns wiederum durch die weiteren Eröffnungen aufgeschlossen, welche die heilige Brigitta aus dem Munde ihres Engels zu vernehmen und auf sein Geheiß niederzuschreiben hatte. Sie lauten: (Sermo angelicus, cap. 17 & 18. in "Revelationes s. Brigittae a Consalvo Duranto notis illustratae")

"In ihren Weissagungen von dem Sohne Gottes redeten die Propheten auch davon, welchen bitteren Tod Er in seinem unschuldigsten Leibe auf dieser Welt werde erdulden wollen, auf daß die Menschen in Vereinigung mit Ihm im Himmel des ewigen Lebens könnten theilhaftig werden. Demgemäß schilderten sie in ihren Prophezeiungen, wie der Sohn Gottes für die Erlösung des Menschengeschlechtes werde gebunden und geheißelt, wie zum Kreuze geführt, wie schimpflich mißhandelt und gekreuzigt werden. Wenn wir demnach glauben müssen, daß die Propheten wohl gewußt hatten, warum der unsterbliche Gott einen sterblichen Leib annehmen und in diesem Leibe auf so mannigfache Weise gepeiniget werden wolle, so kann der christliche Glaube es um so weniger bezweifeln, daß unsere seligste Jungfrau und Herrin, welche Gott vor aller Zeit zur Mutter erkoren hatte, dieß noch viel deutlicher gewußt habe; und billig ist zu glauben, es sei der Jungfrau die Absicht nicht verborgen gewesen, aus der Gott sich würdigte, in ihrem Schoße mit dem menschlichen Fleische sich zu bekleiden. Ja gewiß! Es ist fest und unbezweifelt zu bekennen, daß sie aus Eingebung des Heiligen Geistes den Sinn und die Bedeutung der prophetischen Worte weit vollkommener verstanden habe, als die Propheten selber, welche aus dem Munde desselben Heiligen Geistes ihre Worte vorgebracht haben. Darum ist es für gewisseste Wahrheit zu halten, daß, als die Junfrau den Sohn Gottes nach seiner Geburt zum ersten Male auf ihre Hände nahm, es ihrem Geiste deutlichst vorschwebte, wie Er der Propheten Schriften werde zu erfüllen haben. So oft sie Ihn darnach in Windeln wickelte, empfand sie in ihrem Herzen, mit welch scharfen Geißeln sein ganzer Leib werde zerrissen werden, so daß Er das Aussehen eines vom Aussatze Geschlagenen haben würde. Und so oft die Jungfrau Arme und Füße ihres Kindleins sanft mit Tüchlein umwand, da gedachte sie, wie grausam dieselben mit eisernen Nägeln am Kreuze würden durchbohrt werden. Wendete sie ihr Auge nach dem Antlitz ihres Kindes, da ward sie inne, mit welcher Unehrerbietung die Mäuler der Gottlosen dieses heiligste Antlitz mit ihrem Auswurf besudeln werden. Und wie oft empfand die süßeste Mutter in ihrem Herzen, welche Faustschläge die Wangen ihres Sohnes treffen und welche Schmähungen und Lästerungen seine gebenedeiten Ohren erfüllen würden! Bald stellte sich ihr dar, wie seine Augen durch das herabrinnende Blut verdunkelt; bald, wie sein Mund mit Essig und Galle werde getränkt werden; bald drang es ihr zu Herzen, wie seine Arme mit Stricken gebunden, seine Nerven und Adern und alle Gewebe so unbarmherzig am Kreuze ausgedehnt und alle inneren Theile seines Leibes im Tode zusammengezogen und wie sein ganzer glorwürdiger Leib von innen und außen durch die bittersten Peinen bis zum Verscheiden am Kreuze werde gefoltert werden. Denn es wußte auch die heilige Jungfrau, daß, sobald ihr Sohn seine Seele am Kreuze werde ausgehaucht haben, die scharfe Lanzenspitze seine Seite eröffnen und mitten durch sein Herz hindurch dringen werde."
"Wie also die heilige Jungfrau mehr, als alle anderen Mütter voll Freude war, so oft sie ihr neugebornes Kind betrachtete, indem sie es als wahren Gott und wahren Menschen erkannte, sterblich zwar nach seiner Menschheit, ewig unsterblich aber nach seiner Gottheit, so war sie doch im Vorherwissen seines bittersten Leidens zugleich die betrübteste aller Mütter. Und solcher Weise war ihre höchste Freudigkeit unablässig von schwerster Trauer begleitet, gleich als würde einer Gebärenden gesagt: wohl hast du ein lebendes und in allen seinen Gliedern wohlgestaltetes Kind geboren, aber die Wehen des Gebärens werden bis zu deinem Tode nicht mehr aufhören. Wohl würde bei solchen Worten eine Mutter über das Leben und Gedeihen ihrer Leibesfrucht sich freuen, aber ohne Aufhören über ihr eigenes Leiden und ihren Tod sich betrüben. Doch könnte die Betrübniß solcher Mutter bei dem Gedanken an ihre Peinen und den Tod ihres Leibes nicht so groß sein, als es der Schmerz Mariä war, so oft sie des künftigen Todes ihres geliebtesten Kindes gedachte. Sie wußte aus den Worten der Propheten, wie zahllose und schwerste Peinen ihr süßestes Kind werde leiden müssen; und auch Simeon der Gerechte hatte ihr nicht aus ferner Vergangenheit her, wie die Propheten, sondern in das Angesicht geweissagt, daß ihre Seele ein Schwert durchbohren werde. Darum ist es wohl zu beherzigen, daß in dem Grade, als die Seelenkärfte weit stärker und fähiger sind, um Wohl und Wehe zu empfinden, als die körperlichen Sinne, die gebenedeite Seele der seligsten Jungfrau, welche von dem Schwerte durchbohrt werden sollte, von weit ärgeren Qualen erfüllt wurde, noch bevor ihr Sohn sein bitteres Leiden zu beginnen hatte, als der Leib einer Mutter, bevor sie gebiert, zu ertragen vermöchte. Denn das ihr geweissagte Schwert der Schmerzen kam mit jeder Stunde in dem Grade ihr näher, als ihr geliebtester Sohn dem Zeitpunkte seines bittersten Leidens sich näherte. Darum ist unbezweifelt zu glauben, daß der liebreichste und unschuldiste Sohn Gottes mit seiner Mutter ein kindliches Mitleiden trug und ihre Peinen durch häufige Tröstungen zu lindern suchte, sonst hätte ihr Leben es nicht vermocht, sie bis zum Tode ihres Sohnes zu ertragen."
"Von jenem Zeitpunkte aber an, da der Sohn der Jungfrau gesprochen: 'Ihr werdet Mich suchen, aber nicht finden (Joh. 7, 34.); da verwundete die Spitze des Schwertes ihrer Schmerzen das Herz der Jungfrau noch viel heftiger. Und als Er zuletzt von dem eigenen Jünger verrathen und, wie Er geschehen lassen wollte, von den Feinden der Wahrheit und Gerechtigkeit gefangen wurde, da drang das Schwert der Schmerzen grausam durch ihr Herz, durch ihr Innerstes und durch ihre Seele, so daß alle Glieder ihres heiligsten Leibes mit unsäglichen Martern erfüllet wurden. Und so viele Peinen und Beschimpfungen ihrem Sohne angethan wurden, so vielmal erneuerte jenes Schwert seine ganze Schärfe in der Seele der heiligen Jungfrau. Sie mußte ja Alles mit ansehen, wie ihr Sohn von den Händen der Gottlosen mit Backenstreichen geschlagen, grausam und unbarmherzig gegeißelt und von den jüdischen Obrigkeiten unter dem tobenden Geschrei des ganzen Volkes: 'An's Kreuz mit dem Verräther!' zum schimpflichsten Tode verurtheilt wurde; wie Er mit gebundenen Händen zur Richtstätte geführt wurde, sein Kreuz in äußerster Erschöpfung auf den Schultern dahin tragend, während vorangehende Schergen Ihn an Stricken nach sich zogen, andere neben Ihm hergehend Ihn mit Faustschlägen antrieben und Ihn, das sanftmüthigste Lamm, hetzten wie das grausamste Wild. Er aber war, wie Jesaias gweissagt, in all' seinen Nöthen geduldig wie ein Lamm, das zur Schlachtbank gefüht wird, und klaglos, wie das vor seinem Scheerer verstummende Lamm, öffnete Er seinen Mund nicht. Und so, wie Er das Bild der höcshten Geduld, so war es auch seine gebenedeite Mutter, welche alle Peinen mitIhm theilte. Und wie ein Lamm seiner Mutter nachgeht, wohinsie geführt wird, so folgte auch die jungfräuliche Mutter ihrem Sohne an alle Stätten seiner Martern. So sah sie also mit an, wie ihrem Sohne zum Spotte die Dornenkrone auf das Haupt gesetzt, wie sein Angesicht von Blut überronnen, seine Wangen durch härteste Backenstreiche dunkel geröthet wurden. Der übergroße Schmerz ihres Mitleidens preßte ihr Seufzer aus und brachte ihr Antlitz zum Erblasssen, und als bei der Geißelung der heiligste Leib ihres Sohnes aus tausend Wunden blutete, da rannen aus ihren Augen die bittersten Thränenbächer nieder. Bei der grausamsten Ausspannung ihres Sohnes am Kreuzesstamme aber begannen alle Kräfte ihres Leibes zu schwinden; und als vollends der Schall der Hammerschläge, mit welchen durch die Hände und Füße ihres Sohnes die eisernen Nägel getrieben wurden, an ihr Ohr drang, da vergingen der Jungfrau alle Sinne, und im Übermaß dieser Marter sank sie einer Sterbenden gleich zur Erde nieder. Als die Juden Ihn mit Galle und Essig tränkten, da vertrockneten vor Angst ihres Herzens Zunge und Gaumen der Jungfrau, so daß sie nicht vermochte, ihre gebenedeiten Lippen zu einem Worte zu bewegen. Und als sie darauf die klägliche Stimme ihres im Todeskampfe rufenden Sohnes vernahm: 'Mein Gott, mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?' und sehen mußte, wie alle seine Glieder erstarrten und Er mit geneigtem Haupte seinen Geist aufgab, da schnürte die Heftigkeit der Schmerzen das Herz der Jungfrau also zusammen, daß jedes Gelenke ihres heiligsten Leibes die Bewegung versagte."
"Daraus aber mögen wir wohl erkennen, welch' ein großes Wunder Gott hier zu wirken hatte, daß die jungfräuliche Mutter, deren Herz von so unaussprechlich vielen und großen Martern verwundet war, ihren Geist nicht vollends aufgab, als sie auch noch mit ansehen mußte, wie ihr geliebter Sohn seiner Kleider beraubt, von Wunden zerrissen, mit Blut überlaufen, lebend und todt, verhöhnt und verspottet, mit der Lanze durchbohrt zwischen zwei Mördern am Kreuze hing, während die Mehrzahl seiner Anhänger und Freunde Ihn verließ, davon floh und gar weit von der Geradheit des wahren Glaubens sich verirrte. Gleichwie also ihr Sohn unter größeren Peinen, als alle Menschen zusammen nicht zu ertragen vermöchten, den bittersten Tod für uns erduldet hat, so hat auch seine mit Ihm leidende Mutter in ihrer gebenedeiten Seele dieselben Peinen für uns mitgetragen."
"Im ersten Buche der Könige wird von der Frau des Phinees erzählt, daß sie bei der Nachricht von dem Verluste der Bundeslade an die Feinde Gottes vor heftigem Schmerze gestorben sei. Aber der Schmerz dieser Frau läßt sich mit dem Schmerze nicht in Vergleich bringen, welchen die jungfräuliche Mutter empfand, als sie den Leib ihres gebenedeiten Sohnes, dessen Vorbild jene Lade des Bundes gewesen, mit Nägeln an das Holz des Kreuzes geheftet erblickte. Denn die Jungfrau liebte ihren Sohn, als wahren Gott und wahren Menschen, mit unvergleichlich größerer Liebe, als irgend ein Menschenkind sich selbst oder einen Anderen lieben könnte. Darum ist es auch ein ganz augenscheinliches Wunder, daß Maria den unbegreiflichen Peinen nicht erlag, welche sie verwundeten, während die Frau des Phinees schon über einen viel geringeren Schmerz das Leben verlor. Wer muß nicht unwillkürlich dabei denken, daß nur das unmittelbare Eingreifen der Allmacht Gottes sie gegen alle Möglichkeit der körperlichen Kräfte am Leben erhalten konnte?"
"Durch seinen Tod schloß der Sohn Gottes den Himmel uns auf und aus der Vorhölle erlöste Er im Triumphe seine Getreuen. Maria aber blieb im Leben zurück; und sie war es, die einzig und allein bis zur Auferstehung ihres Sohnes den wahren Glauben unerschütterlich bewahrte und gar Viele, welche elendiglich vom Glauben abgeirrt waren, wieder zum Glauben zurückführte und darin bestärkte."


Die eben angeführten Stellen aus den "Offenbarungen der heiligen Brigitta" sind in solcher Ausführlichkeit auch aus dem Grunde hier ausgehoben, weil sie zugleich eine glänzende Rechtfertigung der ganzen Auffassung und Schilderung des vollkommenen Miterleidens der ganzen Passion unseres Herrn von Seite seiner heiligsten Mutter enthalten, wie solche in den Mittheilungen der seligen Emmerich über "das bittere Leiden" uns geboten wird.

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