"Die an jenem Tag in der Basilika anwesenden Personen versichern, daß sie den Diener Gottes in der Tat während der Verlesung des Dekretes wie verwandelt und verklärt gesehen haben; seine Stimme war ungewöhnlich klangvoll und voll Schwung trotz der Ergriffenheit, die ihn durchbebte - im Augenblick der Erklärung so laut und deutlich, daß man sie überall gut hörte; sein Gesicht leuchtete, war von Tränen überstörmt und vom zarten Rot der Liebe überhaucht. Als eine Art Wunder empfand man es auch, daß im Augenblick der Dogmaverkündigung der bis dahin mit Wolken bedeckte Himmel aufklarte, ein Sonnenstrahl durch das Gewölk brach, durch das Fenster in der Kuppel drang, den Papst mitten ins Gesicht traf und seinen Kopf mit einem Lichtkranz, wie mit einem Heiligenschein umgab. Das Merkwürdigste aber war, daß der Statthalter Christi mit einem ganz seltenen, wenn nicht extatischen marianischen Erleben ausgezeichnet wurde.
Er selbst sprach im Jahre 1857 den Schwestern vom Guten Hirten in Imola anläßlich eines seither leider allzusehr in Vergessenheit geratenen ungewungenen Beisammenseins davon. "Was ich empfunden, was ich bei der Dogmaerklärung erlebt habe", sagt er, "ist so groß, daß keine menschliche Sprache es auszudrücken vermöchte. Als ich mit der Verlesung des Dogmendekretes begann, bangte ich, daß meine Stimme nicht imstande sein würde, sich der unübersehbaren Menschenmenge, die in der Vatikanischen Basilika Kopf an Kopf stand - es waren 50.000 Personen - verständlich zu machen. Aber als ich zur Definition kam, verlieh Gott der Stimme Seines Stellvertreters eine solche Kraft und eine so große übernatürliche Mächtigkeit, daß sie durch die ganze Basilika schallte. Und ich war von einem solchen göttlichen Beistand so ergriffen, daß ich einen Augenblick innehalten mußte, um meinen Tränen freien Lauf zu lassen. Und während Gott durch den Mund Seines Stellvertreters das Dogma verkündete", fuhr Pius IX. fort, "teilte Gott Selbst meinem Geist eine so klare und so weite Erkenntnis der unbeschreiblichen Reinheit der seligsten Jungfrau mit; und in die Tiefe dieser Erkenntnis, die keine Zunge je beschreiben könnte, wie in einen Abgrund versenkt, verharrte meine Seele von unsagbaren Wonnen überflutet, von Wonnen, die nicht von dieser Erde sind und nur im Himmel erlebt werden können. Kein Glück, keine Freude dieser Welt könnte auch nur den leisesten Begriff von jenen Wonnen geben. Und ich scheue mich nicht, zu behaupten, daß der Statthalter Christi einer besonderen Gnade bedurfte, um unter dem Eindruck dieser Erkenntnis und an dem Genuß dieser unvergleichlichen Schönheit der Unbefleckten Jungfrau Maria nicht vor Glück zu sterben."
Dieses marianische Erlebnis war die persönliche, private Antwort, der unmittelbare Dank der Unbefleckten an den unvergänglichen Papst.
P. Ephrem Longpré, O.F.M.
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