Montag, April 17, 2006

Vorwort von Pater C.E. Schmöger C.ss.R. zum Werk "Emmerick-Visionen" 1. Folge


Von der in den Jahren 1858 bis 1860 durch den Unterzeichneten besorgten Ausgabe "des Lebens unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi nach den Gesichten der gottseligen Emmerich" in drei Bänden waren bereits vor mehreren Jahren über 10,000 Exemplare vergriffen und die gleiche Anzahl von dem vier Jahre später in einem Bande veranstalteten Auszuge, so daß bei der fortdauernden Nachfrage nach dem Werke seit geraumer Zeit eine neue Ausgabe nöthig geworden ist. Es war darum der Antrag der Verlagshandlung, solche zu bearbeiten, dem Unterzeichneten um so willkommener, als ihm hiedurch Gelegenheit geboten wurde, die sämmtlichen Gesichte der gottseligen Anna Katharina Emmerich über das Geheimniß der heiligsten Erlösung in der nun vorliegenden Gesammtausgabe zu vereinigen. Dieselbe umfaßt sonach alle Mittheilungen, welche die begnadigte Dienerin Gottes aus dem reichen Schatze der von Gott ihr gebotenen Anschauungen der Geschichte unseres Heils zu geben im Stande war; also nicht allein den heiligsten Lehrwandel und das bittere Leiden unseres göttlichen Heilandes, sondern auch die Vorbereitungen und Führungen Gottes an der gefallenen Menschheit von Erschaffung der Welt herab bis zur Fülle der Zeit, in welcher der Sohn Gottes im Fleische erschien, um in Knechtsgestalt unser Heil zu wirken.

Die Mehrzahl der auf die Schöpfung, den Sündenfall und die Zeit des alten Bundes bezüglichen Mittheilungen erscheint hier zum erstenmale und zwar in sorgfältigster Wiedergabe der ersten Aufschreibung, welche Clemens Brentano eine reihe von Jahren hindurch in Dülmen unter den Augen der seligen Emmerich gemacht hatte. In gleicher Weise hat der Herausgeber auch die daran sich reihenden Bilder von den Geheimnissen der Abstammung und des Lebens der allerseligsten Jungfrau mit möglicher Sorgfalt aus den Tagebüchern von Clemens Brentano erhoben und sie in derselben einfachen, kurzen und bruchstücklichen Form dem Leser hier vorgelegt, in welcher Brentano sie von Anna Katharina zu vernehmen hatte und soweit er unter dem Eindrucke ihrer ursprünglichen Mitteilung sie zu Papier hatte bringen können. Daß hiebei eine gewisse Härte und Lückenhaftigkeit der Darstellung, daß unvermittelte Übergänge von einem Gedanken, einer Wahrheit oder Thatsache auf die andere nicht zu vermeiden waren, das liegt in der Natur der spärlichen und so mannigfach durch ihre unermeßliche Leidensaufgabe erschwerten Mittheilung von Seiten der Schauenden, und der Herausgeber unterließ es absichtlich, durch, wenn auch noch so einfache und den Sinn nicht ändernde, Einschiebungen diesen Charakter zu mildern, damit der Leser stets die volle Gewißheit habe, es werde ihm nur Das und Das nur so geboten, was und wie die selige Emmerich es zu erzählen vermocht hatte. Mag darum auch der aufmerksame Leser nicht selten bedauern, daß die Mittheilungen nicht vollständiger ausgefallen, so besitzt er doch des Schönen und Tiefsinnigen immer noch so viel, daß es ihm an stets neuer Anregung zu eigener Meditation nie fehlen, und daß er der Conformität des Mitgetheilten mit den Thatsachen und Mysterien unseres heiligen Glaubens immer klarer sich bewußt werden wird. Es wird auch keinem Leser entgehen, daß, wenn Clemens Brentano irgendwie ergänzend oder erweiternd einzugreifen gewagt hätte, gerade die Bilder vom Paradiese, von der Schönheit des ersten Menschenpaares vor dem Falle und ähnliche für ein Talent, wie das seinige, die verlockendste Versuchung geworden wären, aus seiner scheuen Zurückhaltung herauszutreten und mit eigenem Pinsel die Lücken weiter auszumalen. Allein es findet sich in seinen Tagbüchern keine Spur eines derartigen Versuches; wohl aber zahllose Klagen, daß die Erzählende ihm nicht eine größere Vollständigkeit zu bieten vermocht habe. Und so wird der Leser für die Treue seiner Aufschreibung und für die lauterste Wahrhaftigkeit und Absichtslosigkeit der Erzählerin den klarsten Beweis gerade in dem dürftigen und bruchstücklichen Charakter des Mitgetheilten erkennen.

(Fortsetzung folgt)

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