Samstag, April 29, 2006

Vorwort von Pater C.E. Schmöger C.ss.R. zum Werk "Emmerick-Visionen" 3. Folge

3. Dieser wahrhaft providentielle Charakter der Mittheilungen der gottseligen Anna Katharina gerade für unsere Zeit tritt besonders klar und deutlich in allen jenen Eröffnungen hervor, welche die Geheimnisse und Thatsachen des Lebens der allerseligsten Jungfrau zum Gegenstande haben. Diese umfassen in der einfachsten, schlichtesten Form das Schönste und Tiefinnigste, was die heiligen Väter und großen Lehrer von Maria bezeugen, und was die ganze Kirche in ihrer heiligen Liturgie in Lobpreisungen, Danksagungen und Gebeten als ihr untrügliches Bekenntniß von der alles Begreifen übersteigenden Reinheit, Heiligkeit, Würde und Gnadenfülle der heiligsten Gottes-Gebärerin ablegt. Es erscheint nämlich in den Gesichten der seligen Emmerich das wunderbare Leben der seligsten Jungfrau ähnlich, wie es in den heiligen Tageszeiten des kirchlichen Festkreises uns vor Augen geführt wird, als ein zweifaches: als ein inneres, geheimes, in Gott verborgenes, d. i. nur Gott allein und den Engeln und wenigen Bevorzugten aus den Menschen nur so weit bekanntes, als es Gott selber ihnen zu schauen verleiht; und als ein äußeres und offenbares oder unter den Augen ihrer nächsten Umgebung in der Ordnung, den Umständen und Verhältnissen ihres armen, demüthigsten irdischen Wandels verlaufendes. Im Geheimniß ihrer heiligsten und unbefleckten Gempfängniß nimmt das zeitliche Leben Mariä seinen Anfang; und in diesem Anfange, also schon im Mutterschoße, ist Maria mit jener Heiligkeit und Gnadenfülle ausgerüstet, von welcher Pius IX. in der dogmatischen Bulle "Ineffabilis" den Glauben der Kirche mit den Worten bezeugt:
"Maria leuchtet in so mächtiger Begabung mit allen Schätzen des Himmels, in solcher Fülle der Gnade, in solchem Glanze der Unschuld, daß sie ein Wunder der Allmacht Gottes ist, dessen Größe keine Zunge zu erreichen vermag; ja daß sie der Gipfel aller seiner Wunderwerke und würdig ist, die Mutter Gottes zu sein. Sie ist in solcher Nähe zu Gott erhöhet, soweit eine erschaffene Natur solcher Erhöhung überhaupt theilhaft werden kann; und darum vermögen die Zungen der Engel so wenig als die der Menschen, ihr Lob zu erreichen."
Und im Officium auf das Fest der heiligsten unbefleckten Empfängniß betet die Kirche:
"Maria ist der Ablganz des ewigen Lichtes, der Spiegel ohne Makel. Sie ist schöner als die Sonne und reiner als der Strahl des Lichtes. Nur Gott allein ist über ihr; sie aber über allen anderen Creaturen. Von Natur aus ist sie schöner, als selbst die Cherubim, die Seraphim und alle englischen Heerschaaren. Sie nach Würdigkeit zu preisen, sind die Zungen der Himmlischen, der Irdischen und der Engel nicht vermögend. Deine Heiligkeit, o unbefleckte Jungfrau, erfüllet selbst die Chöre der Engel mit staunender Bewunderung."

4. Diese Schönheit, Herrlichkeit und Gnadenfülle der allerseligsten Jungfrau wurde im Anbeginn der Zeit von Gott den Engen und dem Stammvater unseres Geschlechtes, dann Noe, Abraham und allen Patriarchen und Propheten geoffenbart, indem ihnen Maria als die unbefleckte Jungfrau vorgestellt wurde, aus welcher die Rettung und das Heil der gefallenen Menschheit und die Ergänzung der englischen Chöre hervorgehen solle. Und diese Offenbarungen hatten, wie alle Führungen, Institutionen und Mysterien, welche im Laufe der Zeit der barmherzigste Gott dem auserwählten Volke zu verleihen sich würdigte, kein anderes Ziel, als die Fülle der Zeit herbeizuführen und aus dem Schoße der Kirche des alten Bundes das von Ewigkeit her vorbestimmte reinste und heiligste Gefäß der Gnade hervorzubringen; von dessen ausdrücklicher Zustimmung und beharrlichster treuester Mitwirkung die Vollführung der heiligsten Menschwerdung und Erlösung Gott selber abhängig machen wollte. Alle diese vorbereitenden Veranstaltungen Gottes finden in den Mittheilungen der seligen Emmerich eine sehr einfache und anschauliche Darstellung und zwar in tiefsinnigen Bildern und Anschauungen, welche nicht bloße Figuren oder leere Sinnbilder, sondern der, wenn auch schwache und dürftige, doch reine und wahre Wiederschein des wirklich Geschehenen, der Wahrheit und Geschichte sind, ähnlich wie z. B. die Worte der lauretanischen Litanei die volle Wahrheit und die ewigen und wirklichen Thatsachen in sich schließen, wenngleich die engen Grenzen der menschlichen Sprache den unbegreiflichen Geheimnissen der Größe und Herrlichkeit Mariä nicht den vollen Ausdruck zu leihen im Stande sind.
Es erscheint nicht übeflüssig, dieß hervorzuheben; denn das Leben Mariä auf Erden ist für das sinnliche oder nur natürliche menschliche Auge ein so einfaches, ein scheinbar in so engen Grenzen verlaufendes, armes und demüthiges, daß nur zu leicht ein flüchtiger Leser über dieser Einfachheit und über den mit ihr verknüpften äußeren Beschwerden, Mühsalen und Nöthen dieses demüthigsten Lebens vergißt, daß Maria schon bei ihrem ersten Eintreten in die Zeit des irdischen Wandels, also schon im Mutterschoße, bleibend, dauernd, für ewig, nicht etwa nur vorübergehend, Das in voller Wirklichkeit und lebendiger Fülle war und besaß und in sich trug, was an Schönheit, Gnade, Erleuchtung, Macht, Weisheit, Würde und Erhabenheit über alle Geschöpfe Himmels und der Erde für sie von Ewigkeit her von Gott bestimmt war, und im Geheimniß der heiligsten unbefleckten Empfängniß ihr mitgetheilt wurde. Selbst unter solchen Lesern, welche die kirchlichen Tageszeiten beten, also das Bekenntniß des heiligen Glaubens der ganzen Kirche an die unbegreifliche Größe und Herrlichkeit Mariä in Hymnen, Antiphonen und Lectionen lobpreisend so oft zu wiederholen die Gnade haben, gibt es Manche, die viel zu wenig Gewicht darauf legen, daß Alles, was sie im Namen der Kirche von Maria betend und lobpreisend bekennen, nicht etwa nur von Maria als im Himmel thronend gilt, sondern daß alle diese Lobpreisungen in erster Reihe die Thatsachen und Geheimnisse ihres Eintrittes in die Welt und des ganzen Zeitraumes ihres irdischen Lebens zum Gegenstande haben, welche Thatsachen ja die nothwenige Vorbedingung ihrer Herrlichkeit im Himmel waren. Die Officien der Kirchenfeste Mariä sind nicht etwa nur musikalische Symphonieen, mit welchen die Kirche ihrer Feier einen möglich festlichen Charakter verleihen will, deren Worte aber der Beter oder Leser nicht im vollen, buchstäblichen Sinne als Bekenntniß der Thatsachen der heiligen Geschichte und als den Inhalt des göttlich-geoffenbarten, untrüglichen Glaubens zu nehmen hätte; nein, sie sind im strengsten Sinne das letztere und darum enthüllen sie uns in dem Lichte des göttlichen Glaubens nicht allein das Geheimniß der unbegreiflichen Hoheit und Würde, sondern auch das Geheimniß der Demuth des Lebens Mariä.

(Fortsetzung folgt)

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