Samstag, Mai 06, 2006

Unsere Liebe Frau vom Sonntag - Saint Bauzille de la Sylve 1873

Wohl nur wenige haben von „Unserer lieben Frau vom Sonntag" gehört. Selbst in Frankreich, wo sich der Gnadenort befindet, wissen viele nichts davon. Wenn aber der gelehrte und gewiß nicht leichtgläubige Kardinal de Cabrières von Montpellier den Wunderbericht von Mariens huldreicher Erscheinung in seinem Bistum selber beglaubigt und empfohlen hat, dürfen auch wir mit vollem Zutrauen demselben Glauben schenken. So höret denn, wie und wann die Himmelskönigin am 8. Juni 1873 dem Weinbauer Arnaud von Saint-Bauzille-de-la-Sylve (Herault) sich gezeigt und was sie ihm zu melden hatte. Was er dort erlebt, ist ergreifend, aber sehr belehrend für unsere Zeit, wo so viele Sonntagsschändungen vorkommen.

Augustin Arnaud war ein bescheidener Rebmann. (In Frankreich leben bekanntlich sehr viele Landwirte vom Weinbau). Die ganze Woche hindurch arbeitete er für begüterte Rebenbesitzer. Nur am Sonntag vor dem Gottesdienst fand der von seinen Arbeitgebern abhängige und vom Wochendienst müde Winzer die Zeit, sein eigenes kleines Gütlein zu bestellen. Da er aber jeden Sonntag dem Hochamt, ja auch der Vesper und dem Rosenkranz mit seinen Kindern beiwohnte, war er im Vergleich zu vielen seiner Mitbürger noch ein braver Mann. Aber sein Konflikt mit dem dritten Gebot Gottes hatte die schwere Folge, daß er seit zwei Jahren sich nicht mehr getraute, seine Osterpflicht zu erfüllen.
Am Dreifaltigkeitssonntag, 8. Juni 1873, ging Augustin um 5 Uhr früh in seinen Weingarten und arbeitete bis 7 Uhr. Dann ruhte er aus, nahm seinen Morgenimbiß, betrachtete mit Freuden das Rebland und berechnete im Geiste den möglichen Ertrag seiner Weinernte, denn die Reben hatten schon geblüht. Da plötzlich erschien vor ihm eine wunderschöne Dame, die etwa eineinhalb Meter hoch über der Erde schwebte. Ein faltenreicher Schleier bedeckte die weißgekleidete Gestalt vom Haupt bis zu den Füßen. Trotzdem bemerkte Arnaud, wie ihr Antlitz und ihre gleichsam zum Gebet gefalteten Hände herrlich glänzten. Und sie trug eine hohe fast mitraähnliche Krone. Heftig erschrocken fragte der 31-jährige starke Mann: „Wer seid Ihr?", und ihm war die Antwort: „Ich bin die allerseligste Jungfrau, habe keine Angst!" Augenblicklich drang ein göttliches Licht in seine Seele; er erkannte die Größe seiner Sünde, die Sonntagsschändung, die er begangen, die er nun mit Hilfe der milden Himmelsmutter bereute, in der Hoffnung, Gott werde ihm diese und alle Sünden des Lebens verzeihen.
Doch schon vernahm er die Botschaft der Mutter Jesu: „Ihr habt die Krankheit der Reben! Ihr habt den Patron eurer Pfarrei, den hl. Bauzille, verlassen. Ihr müßt sein Fest wieder halten. Ihr sollt dort am Ende des Weingartens ein eisernes Kreuz auf einem steinernen Sockel errichten. Ihr sollt am nächsten Donnerstag eine Wallfahrt nach St. Antonie (in der Nähe) und in 14 Tagen eine Pilgerfahrt nach Gignac machen, wo ich verehrt werde. Ich wünsche, daß man jährlich hieher in Prozession komme. Ihr sollt dies dem Herrn Pfarrer sagen, und wenn ihr getan, was ich euch gesagt habe, werde ich in einem Monat wiederkommen und euch meinen Dank aussprechen."
Vollständig umgewandelt kehrte der junge Mann heim und erzählte alles seinem Vater. Dieser glaubte ihm aufs Wort, denn er konnte von Augustin sagen: „Mein Sohn lügt nicht!" Miteinander gingen sie zum Seelsorger, den sie am Studiertisch trafen. Er war erst seit zwei Monaten in der Pfarrei und kannte vorerst nur wenige seiner Pfarrkinder. Ohne Zwischenrede hörte er den Wunderbericht an, indes schon sein Urteil feststand: „Entweder ist dieser Mensch ein Schwindler oder er ist von Sinnen!" "Ich kanns nicht glauben", erwiderte er schließlich auf die seltsame Botschaft: "Euch, die Ihr den Sonntag geschändet habt, kann Maria nicht erschienen sein." Bei diesem Wort von Sonntagsschändung erbleichte Augustin und ein Zittern befiel ihn, denn er erkannte die Schwere seiner Sünde, um sie abermals zu bereuen. Aber ohne Erregung, genau wie er vorher getan, sprach er zum Priester: „Wenn Sie mir auch nicht glauben, die Mutter Gottes hat dennoch so gesprochen; sie hieß mich dies nicht alles selbst erfüllen, sondern ich habe Ihnen nur ihre Aufträge mitzuteilen. Ich bin aber sicher, wenn ich meinen Teil davon ausführe, so wird sie in einem Monat wiederkommen und mir danken."
Der Pfarrer blieb aber bei seiner Meinung und warnte auch den merkwürdigen Seher, die Sache ja nicht zu verbreiten. Doch als er die beiden Männer verabschiedete, dachte er heimlich: „Trotz allem, dieser Arnaud scheint ehrlich und aufrichtig zu sein!"
Schon am anderen Morgen ging dieser ans Werk. Er zimmerte selbst ein hölzernes Kreuz und pflanzte es dort auf, wo Maria ihm erschienen war; dann ließ er am bezeichneten Ort auf seine Kosten mit geliehenem Geld ein eisernes Kreuz auf steinernem Sockel errichten. Da stellte es sich heraus, daß vor der großen Revolution dort ein Kreuz gestanden, an dem viele Gebete verrichtet wurden und viele Erhörungen stattgefunden hatten. So hatten die ältesten Leute es von ihren Eltern gehört.
Infolge der wundersamen Vorkehrungen Arnauds in seinem Weingarten sowie der zwei mit seiner Familie gemachten Wallfahrten konnte die Wundergeschichte unmöglich verschwiegen bleiben. Sie ging von Mund zu Mund. Arnaud war bei allen als ruhiger, nüchterner und wahrheitsliebender Mann bekannt und doch schien sein Wunderbericht so unglaublich.
Nach einem Monat, am 8. Juli, der auf einen Dienstag fiel, begab sich Arnaud um 5 Uhr morgens wohlgemut an die Arbeit in seinem berühmt gewordenen Weingarten. Die Polizei behelligte ihn nicht, wohl waren um 7 Uhr 2000 Personen aus dem Dorf und der Umgebung an der Straße von Vendenian um ihn versammelt. Er arbeitete ganz ruhig unbekümmert um die Reden der Neugierigen, innerlich gesammelt und fest vertrauend, Maria werde wiederkommen. Um halb 8 Uhr richtete er sich auf, um etwas Atem zu holen. Schon erhob er wieder das Werkzeug um weiterzugraben, da plötzlich entfiel dasselbe seinen Händen. Arnaud zog, blitzschnell sich vorbeugend, den Hut ab vor einem unsichtbaren Wesen. Maria war wirklich wiedergekommen; ihr himmlisches Lächeln brachte ihm, dem bekehrten Sonntagsschänder, den ersehnten Dank. Aber sie verweilte nicht an jener Stelle, sondern schwebte, allerdings nur ihrem Schützling sichtbar, hinüber zu dem von ihm erstellten eisernen Kreuz, das sich 30 m ostwärts von Arnauds Arbeitsstelle befand. Da geschah das Merkwürdige: versunken in die Betrachtung der himmlischen Besucherin, sah er von seinen Reben und hörte er von seiner Umgebung nichts mehr. Mit ausgestreckten Armen folgte er blitzschnell der Erscheinung zu ihrem neuen Zielpunkt. Die Zuschauer, die ihm am nächsten standen, sahen, wie er gleichsam schwimmend durch die Gassen des Weinberges, unbehindert durch die Rebenzweige und tiefen Furchen, zum eisernen Kreuz gelangte. Und sie taten ihr Staunen durch Wunderrufe kund, um so mehr als eine herrliche Lichtsäule, allen sichtbar, den Ort verklärte.
Eine Viertelstunde lang verharrte Arnaud in seinem ekstatischen Zustand. Maria, hoch hinter dem neuen Kreuz schwebend, erschien ihm diesmal nicht weiß gekleidet, sondern im goldenen Gewande und mit goldenem Schleier. Sie wiederholte die früher gemachten Mitteilungen und fügte neue hinzu. Dann schob sie ihren glänzenden Rosenkranz von dem rechten auf den linken Arm, segnete Arnaud und das gesamte Volk und befahl dann dem Seher: „Singet jetzt Lieder!" Und hell erklangen auf allen Seiten die Jubelweisen des „Magnifikat", des „Ave Maris Stella" und andere Marienlieder.
„Wie ich zu ihr ans Kreuz kam", erklärte nachher der glückliche Seher, „weiß ich selber nicht; als sie sich aber anschickte, abschiednehmend in die Höhe zu schweben, streckte ich sehnsuchtsvoll die Arme aus. Da sagte sie nur: ,Noch nicht!' und entschwand in den Wolken meinen Blicken."
Trunken von himmlischer Seligkeit kehrte Arnaud nach Hause zurück, umarmte alle seine Familienangehörigen und zog sich alsbald in ein Zimmer zurück, um ganz allein Maria zu danken und über alles Erlebte nachzusinnen. Die Botschaft an ihn und seine Landsleute war folgende: „Ihr müßt den Sonntag heilig halten! Diejenigen, die glauben, werden glücklich sein; jene, die nicht glauben, werden nicht glücklich sein! Machet nochmals eine Wallfahrt nach Gignac und Segen wird euer Anteil sein! Haltet die alten Wallfahrtsorte in Ehren, besonders aber St. Bauzille, den Schutzpatron eurer Pfarrei!"
Maria hatte ihre Kinder nicht umsonst gemahnt, sie beherzigten, daß der Sonntag der Tag des lieben Gottes ist, der nicht durch Arbeit oder Genußsucht entheiligt werden darf, sondern ganz in seinen Dienst gestellt werden soll.
Aus Arnauds Rebland ist ein kleines Marienparadies geworden nach der kirchlichen Untersuchung, bei welcher hochgeachtete Persönlichkeiten als Hauptzeugen fungierten. Drei herrliche Statuen kennzeichnen jetzt die drei Orte, an denen Maria glorreich geschwebt: die weiße Madonna, die goldene Madonna und Unsere Liebe Frau vom Kreuz in einem originellen Eisenzelt mit der Inschrift: „Man darf nicht den Sonntag entheiligen!". Die Verbindungslinien dieser drei Heiligtümer bilden ein großes, gleichschenkliges Dreieck mit einer Basis von 30 m und einer Höhe von 50 m. In diesem Dreieck steht die feine, gotische Kapelle „Unserer lieben Frau vom Sonntag" inmitten prächtiger Anlagen. Dieselben sind ein Sinnbild dessen, was die Liebe und Andacht zum Kreuz und zum Rosenkranz in den Seelen hervorbringt, nämlich einen Gnadengarten für irdisches Glück und für einstige Seligkeit im Himmel.

Pfarrer G. Cablat von St. Bauzille
Dieser Artikel ist erstmals 1934 erschienen im "Konnersreuther Sonntagsblatt" und dann im "Zeichen Mariens", 9. Jahrgang, Nr. 1, Mai 1975, Seiten 2645 und 2646.
Angaben zum Bild: Statue Notre-Dame du Dimanche, deuxième apparition, 8 juillet 1873 - 1re phase = Unsere Liebe Frau vom Sonntag, zweite Erscheinung, 8. Juli 1873 - Erste Phase.

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