Donnerstag, März 30, 2006

Die Weinende Muttergottes von Endingen - II


Fortsetzung (siehe 1. Teil)

1. Brunnen, Quellen, Flüsse, Meere,
Eure Hilf' ich jetzt verlang,
zu der Muttergottes Ehre
stimmet an ein Lobgesang.
Weil ihr sonst von Wasser fließet,
helfet mir die Zähren grüßen
die Maria geweinet hat,
hier in der Endinger Stadt.

2. Da man Tausend und sechshundert
und fünfzehne hat gezählt,
Auffahrtsabend gschah ein Wunder
hör' es an betrübte Welt.
Von sich selber hat das Bilde,
Unserer Lieben Frauen Milde
über uns erbarmet sich
und geweinet häufiglich.

3. Oh Endingen, komm behende
zu dem Wunder-Zährenbad,
wohl betracht dein Ziel und Ende,
wasch' all deine Sünden ab!
Dank der Muttergottes eben
und stell an ein frommes Leben!
Sei beständig, dich nicht wend,
oh Endingen, bis an's End!

Den Bericht über das Schicksal der Stadt Endingen, den uns der "Atlas Marianus" des Jesuiten Wilhelm Gumppenberg gibt, ergänzt und beleuchtet eine Schilderung, die sich im Oberrheinischen Diözesanarchiv findet. Diesen Bericht gibt uns ein Pater Burger vom Konvent in Tennenbach, der von seinem Abt nach Frankreich gesandt war, um den Quälereien der Soldateska des Krieges enthoben zu sein. Als er sich um das Jahr 1632 wieder in die Heimat begeben wollte, hielt ihn sein früherer Schulfreund, der Sohn des kaiserlichen Obersten von Äscher, davon ab. Oberst von Äscher hatte seinem Sohn nach Frankreich geschrieben, daß er in Endingen knapp der Gefangenschaft entronnen sei. Er sollte Endingen mit ein paar Hundert Mann verteidigen, aber eines Nachts sei der Rheingraf mit 10.000 feindlichen Reitern in Forchheim angekommen, um in der Frühe die Stadt eizunehmen. Die kaiserlichen Wachtposten meldeten den bevorstehenden Angriff Oberst Äscher, nachdem sie die Wachtposten des Rheingrafen vor der Stadt wahrgenommen hatten. Oberst Äscher ließ darauf die Kanonen und Musketen laden und nacheinander abfeuern. Unterdessen sammelte er die Männer der Stadt und seine Mannschaft und zog sich aus der Stadt zurück, um über den Katharinenberg nach dem stärker befestigten Breisach zu entkommen.
Der Rheingraf hatte aus dem Geschützdonner und dem Krachen der Musketen von Endingens Stadtmauer eine starke Verteidigungsmannschaft angenommen und wartete mit dem Angriff bis am Morgen. Seiner Forderung nach Übergabe der Stadt wurde durch das Öffnen der Tore sofort entsprochen. Man vermutete darin eine Kriegslist und betrat die Stadt mit äußerster Vorsicht. Als der Rheingraf sich getäuscht sah und er den kaiserlichen Obersten nicht hatte fangen können, überfiel ihn ein großer Zorn. Er befahl, die Stadt zu plündern und zu verbrennen. Da warfen sich die Frauen der Bürgeschaft und ihre Kinder ihm zu Füßen und baten ihn, ihre Heimat nicht zu verbrennen. Sie seien ja an all dem unschuldig. Der Rheingraf nahm darauf den Befehl des Verbrennens zurück. Nur zwei Stadttore sollten verbrannt werden, aber die Plünderung durch seine Soldaten hielt er aufrecht. Von dieser einen Plünderung sind wir also sicher orientiert, aber wir sehen auch, daß Gumppenbergs Bericht, daß die Stadt nicht verbrannt wurde und daß sie nicht verteidigt wurde, den Tatsachen entspricht. Außerdem stehen in Endingen auch heute noch ungezählte Häuser mit der Jahreszahl ihrer Erbauung, die weit vor dem 30jährigen Krieg stattfand. Die trauten engen Winkel und Gassen der kleinen mittelalterlichen Festungen finden sich größtenteils auch heute noch.
Die Stadt hat also einen außergewöhnlichen Schutz und eine Schonung erfahren, die der ganzen Umgebung nicht zuteil geworden ist. Mit Recht hat die Einwohnerschaft diese Wunder der Fürsprache der Muttergottes zugeschrieben, die durch ihre Tränen vor dem Hereinbrechen der furchtbaren Katastrophe die Einwohnerschaft zu Buße und Gebet bewegt hatte. Die Einführung der Rosenkranz-Bruderschaft war eines der Zeichen der Dankbarkeit der Endinger Bevölkerung. Die Bruderschaft wurde durchgeführt bis zu ihrer offiziellen Aufhebung durch Kaiser Josef II. im Jahre 1783. Auch hat er die Endinger Wallfahrt aufgehoben aus dem Geist der sogenannten Aufklärung, indem ein allgemein verwässertes dogmentfreies Christentum aufgebaut werden sollte. Auch Geistliche wurden von diesem Geiste angesteckt. Was die kaiserlichen Maßnahmen beim katholischen Volk nicht erreichen konnten, weil die Gläubigen an einem so wertvollen Erbe ihrer Ahnen hingen und es sich nicht nehmen lassen wollten, das brachte ein von Endingen gebürtiger Pfarrer Biechele durch Kleinarbeit mehr oder weniger zustande, nämlich die Wallfahrt zu hemmen.
Die Gläubigen hingen aber an der Wallfahrtsstätte; und als die Martinskirche bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts baufällig geworden war, und man daran dachte, an den Turm ein weltliches Gebäude zu fügen, erhoben sich tatkräftige gläuige Männer, verwarfen den Plan und bauten die Martinskirche, so wie sie jetzt steht, wieder auf, und der Opfersinn der Katholiken half ihnen dabei. Welche Freudigkeit die Gläubigen erfaßte, als die Bürgerschaft beschloß, das Langhaus der Wallfahrtskirche neu aufzuführen, geht aus dem feierlichen Glockengeläute hervor, das das freudige Ereignis der ganzen Stadt verkündet hat. Eine Inschrift am linken Seitenportal besagt: "Die Eintracht der Bürger erbaute diesen Tempel im Jahre 1845 und 1846." Die kunstgerechte Restauration des Innern folgte erst 1872. Für den durch Hagelschlag erlittenen Schaden bekam damals die Gemeinde 1.500 fl. aus der Staatskasse. Großmütig verzichteten die Bürger zugunsten ihres geliebten Marienheiligtums auf die Verteilung dieser Summe.
Als in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Anschluß an das 1. Vatikanische Konzil der Altkatholizismus sich erhob, wollten seine Anhänger die Wallfahrtskirche für die neue Lehre besetzen. Aber wachsame Bürger, unter ihnen tapfere Frauen und Mädchen, verteidigten ihr Heiligtum und retteten so die Gnadenstätte ihrer Tränenmutter. Eine Tat aus dem Jahre 1827 ist noch nachzutragen. Damals schlug ein Blitz in den Turm ein, und es bestand die Gefahr, daß ein Großbrand das Heiligtum vernichten könnte. Aber beherzte Männer bestiegen den Turmhelm, der oben brannte, sägten ihn ab und warfen ihn hinunter. Die Wallfahrtskirche war gerettet.
Trotz der Hemmung der Wallfahrt durch den Liberalismus des vergangenen Jahrhunderts war die Liebe und Verehrung zum Bilde der weinenden Muttergottes in Endingen in den Herzen lebendig. In ihren großen Anliegen wandten sie sich immer noch an die "Muttergottes von der Oberen Kirche". Und das nicht fruchtlos. Deswegen löste es eine ungeheure Begeisterung aus, als am 11. März 1934 die Wallfahrt nach gründlicher Vorbereitung durch Kaplaneiverweser Oskar Eiermann wieder eröffnet wurde. Damals hat der ganze Kaiserstuhl glaubensstarke Männer und Jungmänner zu den Endinger Männern stoßen lassen, um die Wallfahrt zur Weinenden Gottesmutter auch äußerlich und feierlich wieder zu eröffnen. Aus diesem Anlaß gingen in Endingen allein im Morgengottesdienst 750 Männer und Jungmänner zur heiligen Kommunion. Zur nachmittäglichen Feier auf dem Endinger Marktplatz fanden sich 3.500 Männer aus Endingen und allen Kaiserstuhlgemeinden ein. Das zündende Predigtwort hierfür hielt der Hochwüridge Herr Ehrendomherr und Dekan Knebel von Kiechlingsbergen.
Seit 1933 finden nun jede Woche am Montag und Samstag wieder Wallfahrtsgottesdienste statt. Hauptwallfahrtstage während des Jahres sind: Christi Himmelfahrt, Mariä Himmelfahrt, Sonntag nach Mariä Geburt und Rosenkranzssonntag. An diesen Sonntagen ist jeweils nachmittags eine Wallfahrtsandacht mit Pedigt. Wer aber erleben will, was in der Seele der gläubigen Endinger für eine Liebe und Verehrung zur Muttergottes lebt, die durch die wunderbaren Tränen ihres Bildes die Liebe und Teilnahme zu den gläubigen Verehrern unzweifelhaft zu erkennen gegeben hat, der komme nach Endingen am Mittwochabend vor Christi Himmelfahrt, dem Jahrestag des Tränenwunders. Dort wird er einen erhebenden Gottesdienst erleben, und zwar in der Wallfahrtskirche, und anschließend eine Lichterprozesson in des Abends Dunkel. Die Gläubigen tragen Kerzen, und in den Fenstern der Prozessionsstraßen glänzen die Lichter. Frohe Lobgesänge hört man in der ganzen Stadt, sie dringen zum Thron der hohen Frau, die der Herr zur Königin des Himmels und zur Helferin der Christen gesetzt hat.

Endinger Wallfahrtslied

Es quillt in Gottes Garten
ein Bronnen tief und hell:
Maria, Holde, Hohe,
Maria, ewig Frohe,
Maria, du jubelnder Quell!

Und unterm Kreuzbaum fließet
Ein Bronnen herb und weh,
Entfließt aus tausend Schmerzen
Maria, deinem Herzen
in Gottes urewigen See.

Laß uns die Seelen tauchen,
o Bronn in deinen Schacht,
daß deiner Wunder Quell
uns bade heil und helle
aus unsrer Sünden Nacht!

(Wilh. Flad)

Geistl. Rat Emil Schätzle, 1964

Für das vorliegende Schriftchen haben mir ihre gütige Beihilfe gewährt:
Herr Stadtpfarrer Alfons Gäng, Endingen
Herr Pfarrer Kurt Warter, Hausen i.K.
Herr Oberamtmann Karl Kurrus,Freiburg
Herr Pfarrer Dr. Adolph Futterer, Riegel

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