Von Ida Loidl, Ebensee, Oberösterreich - für DAS ZEICHEN MARIENS
Morgenstille lag über den menschenleeren Straßen der Stadt Rom; nur hie und da hörte man vereinzelte Geräusche einer einsamen "Carrozza", die eher als gewohnt ihr Tagewerk begann.
Eine Frau, noch im Gebet versunken, kam von irgend einer stillen Klosterkirche über den Platz vor der Lateranbasilika und sah knapp vor der "Scala santa" - der Heiligen Stiege - eine zusammengekauerte Gestalt am Boden liegen. Sie ging darauf zu und bemerkte einen in Lumpen gehüllten, etwa 14jährigen Jungen, der anscheinend hier die Nacht verbracht hatte. Inniges Mitleid entquoll ihrem mütterlichen Herzen und sie redete den noch schlaftrunkenen Buben an: "Ja, was machst du denn da?" - "Ich habe hier geschlafen", war die Antwort. "Meine Geschwister und ich schlafen immer auswärts, weil uns der Vater, wenn er betrunken nach Hause kommt, jedesmal mit dem Stock schlägt." -
Die gute Frau hatte begriffen, daß sie es hier mit einem sehr bitteren Kinderschicksal zu tun hatte, und mit Tränen in den Augen führte sie ihr Gespräch mit dem verlassenen Jungen fort, der mit seinen großen dunklen Augen zu ihr aufschaute. Sie frug ihn, ob er die hl. Kommunion schon empfangen habe. Unverständig erwiderte der Bub: "Nein, so etwas hat uns die Mutter noch nie gekocht!" - - Ach, was wußte der kleine verwahrloste Bruno vom großen Geheimnis der hl. Kommunion?! - Nur ein Jahr lang hatte er die Schule besucht und die übrige Zeit verbrachte er auf den Straßen und Gassen. Nachdem es zuhause am Notwendigsten fehlte, da die Eltern dem Trunke ergeben waren, mußte er sich durch kleine Dienste hier und dort etwas verdienen, oder erbetteln, und wenn sich Gelegenheit bot, versuchte er zu stehlen, was ihm auch nicht selten gelang. Drei Monate war er nimmer zuhause, doch man suchte ihn auch nicht. Wenn er früher doch nach längeren oder kürzeren Zwischenräumen immer wieder nach Hause kam, hörte er nichts als Fluchen und Schelten, als Streit und Hader. Ja, die ganze Gasse, in welcher er wohnte, war ähnlich geprägt, und es verging kaum eine Woche, wo nicht irgend eine hitzige Schlägerei ausbrach, die nicht selten einen blutigen Ausgang nahm. - Kein Wunder, daß auch Bruno es auf diesem Gebiet zu einer gewissen Fertigkeit brachte und selbst seine eigene Mutter nicht mit größeren und kleineren Bosheiten verschonte. - Hatten es er und seine Geschwister ein wenig gar zu arg getrieben, nun so mieden sie fortan umso länger die verwahrloste elterliche Wohnung, in der sich neben den oftmals betrunkenen Eltern nicht selten auch ähnliche Komplizen aufhielten.
All diese Gegenheiten bildeten wohl eine sehr rauhe und stachelige Schale um Brunos armes verlassenes Kinderherz, dem niemals die warme Sonne der Liebe und Unterweisung aufgegangen ist.
Die fremde Frau am Weg, die so gütig zu sprechen verstand, war für ihn wie ein Strahl aus einer anderen Welt. - Er horchte auf und hatte Sehnsucht danach, das Gute kennenzulernen und selber gut zu sein. Kurz darauf finden wir ihn bei einem Priester, welcher den armen Jungen mit seinen großen fragenden Kinderaugen in der hl. Religion unterrichtet und ihn auch zur ersten hl. Beichte und Kommunion führt. Er sagte ihm unter anderem, er solle zu seiner Mutter gehen und sie um Verzeihung bitten für alles Schlimme, das er ihr zugefügt hatte. - Bruno ging also nach Hause. Als er über die armselige Stiege hinaufging, sah er, wie die Mutter gerade Holz in den Hofen legte. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war keinesfalls ermutigend. Doch Bruno begann in aller Zerknirschung, sie anzureden: "Mama, der Priester hat mir gesagt, ich soll dich um Verzeihung bitten für alles Böse, das ich dir jemals angetan." Die Mutter fauchte ihn an: "Das wagst du mir zu sagen?" - und gab ihm einen Fußtritt, daß er die Stiege hinunterkollerte.
So war es um Kindheit und Elternhaus Brunos bestellt. Wahrhaft ein dorniger steiniger Boden, wo jedes gute Samenkorn erbämlich erstickt wurde und verdorrte, noch ehe es zu sprossen begann. Kein Wunder, daß auch die Jugendzeit voll düsterer Schatten war. Von Natur aus talentiert und wißbegierig, konnte er sich nach beendeter Militärdienstzeit mit eigener Hand auf ehrliche Weise sein Brot verdienen, und als er mit 23 Jahren ein Mädchen, namens Jolanda, kennen lernte, wurden sie bald einig, sich zu verehelichen. Nachdem er längst wieder in sein gottloses Leben abgeschlittert war, wollte er sich nur zivil trauen lassen. Jolanda jedoch, ein tiefgläubiges Mädchen, drang in ihn, unbedingt auch kirchlich die Ehe zu schließen, und so meinte Bruno. "Wenn wir einen Priester finden, der uns in der Sakristei traut, dann meinetwegen." Und so geschah es auch.
Nachdem sie nun einige Monate verheiratet waren, meldete sich Bruno im Jahre 1936 zur freiwiligen Legion nach Spanien,wo er gegen die Truppen Francos kämpfte. Es berührte ihn nicht sonderlich, daß seine junge Frau alleine nun ihrer schweren Stunde entgegensehen mußte, doch schickte er regelmäßig seinen Sold zur Erhaltung der Familie nach Hause.
Wie er später selber erzählte, gab es keine Sünde, die er in Spanien nicht begangen hätte. Eines Tages jedoch bemerkte er einen Kameraden, der ständig ein Buch unter dem Arm trug, wenn er dienstfrei war. Wißbegierig, wie Bruno nun einmal war, machte er sich an den Kollegen heran, es war ein Deutscher, der ebenfalls freiwillig zur Fremdenlegion nach Spanien ging anläßlich des dortigen Bürgerkrieges. Bruno Cornacchiola frug nun, was er denn da immer für ein Buch mit sich trage. "Es ist ie Hl. Schrift", antwortete dieser. "Die Heilige Schrift?" frug Bruno verwundert, "was ist das"? "Du weiß das nicht?" erwiderte sein Kollege überrascht, "ist das möglich? - Es ist das Wort Gottes!" "Das Wort Gottes?" - Bruno schaute gespannt auf seinen Kameraden, und dieser begann nun, aus der Hl. Schrift zu erzählen. Begeistert hörte Cornacchiola zu, und er wurde innerlich ganz glücklich und zufrieden, soviel von Jesus zu hören, den er so wenig kannte. Täglich wurden nun die Gespräche fortgesetzt, und der deutsche Soldat, namens Otto, wurde bald Bruno Cornacchiolas bester Freund.
Eines Tages in Zaragoza sah Bruno Cornacchiola beachtliche Menschenmassen in die am Ebro gelegene Basilika "Nuestra Señora del Pilar" strömen. Immer wieder kamen neue Gruppen und Prozessionen, die seine volle Aufmerksamkeit an sich zogen. Voll Neugierde frug er nun die Vorüberziehenden, was denn das alles bedeute. "Wir feiern den Gedenktag eines Wunders", war ihre Antwort. - "Ein Wunder?" Nun war er erst recht gespannt, was sich denn da zugetragen. Man erklärte ihm nun, daß 2 große Bomben durch die Kuppel in die Basilika fielen, wohin sich die Leute geflüchet hatten - und keine der Bomben explodierte, was nur dem auffallenden Schutz der seligsten Jugnfrau zuzuschreiben war.
Voll Begeisterung ging nun Bruno zu seinem Freund un sagte: "Otto, treten auch wir in die Kirche ein. Es ist schon lange her, daß ich nimmer gebeichtet und kommuniziert habe. Gehen wir zu den Sakramenten hier, wo die Madonna das Wunder gewirkt."
Sein Freund sieht ihn entrüstet an und sagt: "Ja, da hast du ja gar nichts verstanden von all dem, was ich dir sagte! Ich habe dir von Jesus erzählt, doch nicht von der katholischen Kirche! Oder habe ich dir von einer Jungfrau Maria erzählt? Oder von Sakramenten? Oder von einem Papst und dergleichen?" - Bruno mußte es verneinen.
Nun begann Otto, der einer protestantischen Sekte angehörte und voll Verachtung gegenüber der katholischen Kirche war, voll Haß die seligste Jungfrau zu schmähen, über die Sakramente zu spotten, das hochehrwürdige Gotteshaus "eine Synagoge Satans" zu nennen und vor allem den Papst in Rom als denjenigen zu bezeichnen, der Schuld an allen Kriegen, an allem Elend und aller Ungerechtigkeit auf Erden ist.
Bruno, voll Unwissenheit in religiösen und kirchlichen Angelegenheiten lauschte gespannt den überzeugenden Worten Ottos. Letzterer verstand es gar wohl, die Unkenntnis seines Kameraden auszunützen und den temperamentvollen Sohn des Südens aufzustacheln und mit tiefem Haß zu erfüllen.
Der Papst in Rom, schuld an allem Elend, allen Kriegen und allem Unheil auf Erden?? - Brunos Haß stieg ins Maßlose. Er schwor in seinem Innern, er werde den Papst ermorden, sobald er wieder nach Rom zurückkehre. Sein Plan stand unverrückbar fest, weshalb er sich in einem kleinen Geschäft in Toledo einen Dolch kaufte, in dessen Griff er eingravierte: "Tod dem Papst!" - Ja, mit eigener Hand wollte er ihn ermorden und so der Ursache allen Übels auf Erden ein Ende setzen.
Nach 3 Jahren freiwilligem Kriegsdienst in Spanien kehrte er im Jahre 1939 wieder nach Rom zurück. Seine Frau, die mit der kleinen Isola soviel für ihn gebetet hatte, erwartete ihn mit Sehnsucht und Freude. Doch wie ganz anders kam er heim, als sie es sich vorgestellt hatte! Ganz anders! Kaum, daß er die Wohnung betreten, riß er nach einem flüchtigen Gruß fluchend die religiösen Bilder von den Wänden, zum größten Schrecken seiner Frau, die sich mit Isola in einen Winkel ihrer Wohnung zurückgezogen hatte und mit Tränen in den Augen dem schrecklichen Treiben ihres Mannes zuschaute. "Bruno", rief sie, "vergreif dich nicht am Bild der Muttergottes, der Rosenkranzmadonna von Pompei, ich habe mit Isola vor diesem Bild so viel für dich gebetet!" - Doch Bruno tobte umso wütender und stampfte haßerfüllt auf dem zerrissenen Bild herum, riß auch noch das Kruzifix von der Wand, zerbrach es über dem Knie und warf es in den Mülleimer. Nun begann für seine gute Frau ein wahrer Kreuzweg. Er zwang sie in eine adventistisch-kommunistische Sekte einzutreten, welcher er bald als aktives Mitglied vorstand. Hier nun entwickelte er eine wahre Hetzpropaganda gegen die katholische Kirche und vor allem gegen den Papst. Als Straßenbahnschaffner schrieb er nun auf die Längsseite seiner Tramway allerlei Spottverse gegen Papst und Kirche, so daß selbst gleichgesinnte Kameraden über seine tollen Einfälle den Kopf schüttelten.
Innerlich unruhig und jähzornig, wie er war, gab es nicht selten rohe Szenen, wenn er vom Dienst heimkam, und oftmals kniete seine Frau bittend vor ihm nieder, doch endlich mit seinen Schlägen innezuhalten. Ja, es waren bittere Tage und Jahre für seine stille, tapfere Frau, die nicht das Heil in der Flucht suchte, sondern ausharrte bei dem, dem sie die Treue geschworen, und bei ihren Kindern, von denen er keines taufen ließ, zu ihrem großen Schmerz.
So kam der 12. April 1947. Es war ein Samstag, und am Sonntag sollte Bruno, auf einem öffentlichen Platz in Rom, eine infame Rede gegen die Unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter halten. Er entschloß sich, mit seiner Familie nach Ostia zu fahren. Dort könnten sich Frau und Kinder ein wenig im Freien ergehen, während er Ruhe fände zur Vorbereitung seiner Rede für den morgigen Tag. Er ging nun zu Jolanda, seiner Frau, und sagte, sie möge die Kinder und sich selber fertig machen für die Fahrt nach Ostiense. Jolanda aber, welche sich gerade sehr elend fühlte, bat zuhause bleiben zu dürfen, was er erlaubte, und so fuhr er allein mit den 3 Kindern, der 11jährigen Isola, dem 7jährigen Carlo und dem 3jährigen Gianfranco vorerst nach S. Paul vor den Mauern, um dort dann mit der Bahn nach Ostiense weiterzufahren. Als er mit den Kindern nach St. Paul kam, war jedoch der Zug bereits weg. Was nun? Seine Kinder waren sehr enttäuscht, hatten sie sich doch schon so sehr auf die Fahrt nach Ostia gefreut, doch Cornacchiola hatte bald einen anderen Plan ausgeheckt: "Wir fahren nach Tre Fontane", sagte er, "dort ist es sehr ruhig und schön, da könnt ihr spielen soviel ihr wollt." Er kaufte den Kindern einen Ball und eine Kinderzeitung mit vielen Bildern, dann stiegen sie in den Obus Nr. 223 und fuhren nach Tre Fontane. Das Ziel war bald erreicht und es währte nicht lange, spazierten sie den damals noch sehr ruhigen Pfad hinan, mitten durch die von der Nachmittagssonne beschienenen und von einem leichten Wind bewegten Eukalyptusbäume mit ihren schmalen langen Blättern und wohlriechenden kleinen Früchten, von welch letzteren noch einige vom letzten Herbst hier und dort am Boden lagen.
Nachdem sie nun die kleine Anhöhe hinaufgestiegen waren und vor einer mit Ginstergesträuchen verwachsenen Grotte vorbeikamen, deren es dort mehrere gibt, gebot der Vater den Kindern strenge, diese ja nicht zu betreten. Er wußte nämlich gar wohl, daß diese Höhlen hier außerhalb der Stadt dem leichtlebigen Volk während der Nacht als willkommene Unterschlüpfe dienen und wollte keinesfalls, daß seine Kinder irgendwie damit in Berührung kämen. Sie versprachen zu gehorchen, und so gab er nun dem kleinen Gianfranco die mitgebrachte Kinderzeitung und Isola und Carlo das kleine Bällchen und befahl den größeren Kindern, gut auf Gianfranco achtzugeben. Er selbst jedoch setzte sich etwas abseits auf einen Baumstrunk, um hier in aller Ruhe die für morgen geplante Rede zu Papier zu bringen. Er hatte bereits eine Seite voll geschrieben, als er die Kinder nimmer hörte und sah.
Fortsetzung und Schluß
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